Buchtipp des Monats September-Oktober 2024

© Hartmut Fanger

 »In jedem Menschen steckt ein zurückgetretener König« Arno Geiger

Auf den Spuren Karl des V. in seiner letzten Lebensphase

Arno Geiger: Reise nach Laredo, Hanser Verlag, München 2024

Was, wenn sämtliche Statussymbole für einen Menschen wegfallen, er sich, aller Hüllen entledigt, der Existenz sozusagen nackt gegenübersieht. Was bleibt da noch? Im wahrsten Sinne des Wortes ergeht es so dem Protagonisten in Arno Geigers neuesten Roman: dem spanischen König Karl der V., einem der renommiertesten Herrscher des 16. Jahrhunderts, der sich von seinem Amt verabschiedet und sich, von Krankheit gezeichnet, in seinen letzten Lebensjahren in ein Klostezurückzieht.

Nach Arno Geigers ungemein erfolgreichen Roman “Mein glückliches Geheimnis“ nun ein 272 Seiten umfassender Historienroman. Und es gibt auch hier wieder solch einen glücklichen Moment. So, wenn der Protagonist, allen Pflichten enthoben, noch einmal so etwas wie Freiheit für sich entdeckt, nämlich als er zusammen mit dem elfjährigen Geronimo bei Nacht und Nebel auf Pferd und Maulesel aus dem Kloster flieht. Und auch einem Geheimnis, das den Reiz des Ganzen ausmacht, kommt einmal mehr Bedeutung zu: Der elfjährige Geronimo weiß nicht, dass es sich bei dem alten kranken Mann um seinen Vater handelt.

Unschwer zu erkennen ist bei fortschreitender Lektüre, dass es sich bei Geigers „Reise nach Laredo“ zugleich um die Adaption eines Meilensteins der Weltliteratur, sprich von „Don Quijote“, handelt: Karl und Geronimo (Sancho Pansa ähnlich) weisen dementsprechend durchaus konkrete Zuge der Figuren des Romans von Cervantes auf und erleben im Kampf um Gerechtigkeit mit Hieb und Stich ebenso zahlreiche Abenteuer wie sie sich natürlich auch mit den sagenumwobenen Windmühlen konfrontiert sehen.

Zum anderen handelt es sich bei der Tour aber auch um eine Reise nach Innen. Auf dem Weg Richtung Meer, dem Tode nah, lässt Karl noch einmal sein Leben Revue passieren und stellt sich dabei so manche Frage: „Kann man Unbeschwertheit lernen? Wird man so geboren?“ Leseprobe Ebenso kommt ihm die ein oder andere Erkenntnis in den Sinn, so etwa: „Er sah seinen Lebensweg, der sich von einem Krieg zum anderen schlängelte, von einem Friedensvertrag zum anderen, von einem Vertrauensbruch zum anderen. Und um wie viel besser war die Welt nach all der Mühe?" Leseprobe

Was war und ist für Karl wirklich von Bedeutung gewesen. Um das zu erforschen, bleibt ihm allerdings nicht viel Zeit. Zeit wiederum lohnt es sich durchaus, in Geigers Fabulier-und Formulierlust zu investieren, indem er zum einen eine authentisch anmutende mittelalterliche Gedankenwelt und Ausdrucksweise lebendig nahebringt, zum andern, wie jede große Literatur völlig zeitlos rezipierbar ist.

Unser herzlicher Dank gilt dem Hanser Verlag                                  Archiv

                                                    

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