Dr. Erna R. Fanger und Hartmut Fanger MA

Seit über 25 Jahren erfolgreiche Dozenten für Kreatives und Literarisches Schreiben, Fernschule, Seminare, Lektorat

Buchtipp für Jung & Alt

 

Buchtipp des Monats Mai/Juni 2023 nicht nur für Junge Leser

 

© Hartmut Fanger:

Der Traum vom Fliegen oder was es bedeutet, ein Vogel zu sein ...

Tom Birkhead (Text), Catherine Rayner (Illustration): „Aus der Vogelperspektive – Von rodelnden Raben, plappernden Papageien und tricksenden Rothühnern“ aus dem Englischen von Rita Gravert, Hanser Verlag, München 2023

Wie und wo leben Vögel. Und was heißt es überhaupt, fliegen zu können. Diesen Fragen sind der renommierte Ornithologe Tim Birkhead und die preisgekrönte Illustratorin Catherine Rayner in einem so hinreißend schönen wie farbigen und äußerst informativen zugleich leicht verständlichen Band nachgegangen, der sich durch bestechende Naturverbundenheit und vor allem dem liebevollen Blick auf diese Tierart auszeichnet. Rund um die Welt. Von Nordeuropa bis Neuseeland, von Alaska bis zur Antarktis und Südpolmeer, von Asien bis nach Großbritannien.

Dabei werden nicht nur die außergewöhnlichen Leistungen der Vögel  transparent gemacht. Wie zum Beispiel das kleine Rotkehlchen, das aus England im nahenden Winter teils um den halben Globus nach Afrika fliegt, um dort Nahrung zu finden, und das – einem geheimen Kompass zufolge –  im darauffolgenden Frühjahr wieder zum Herkunftsort zurückfindet.  Oder Vögel, die über ein außerordentliches Sehvermögen verfügen und dabei auch noch unglaublich schnell sein können, wie der Wanderfalke. Von dem Raben, der nicht nur ‚ungeheuer intelligent’, sondern auch noch verspielt ist, ganz zu schweigen.

Nehmen wir darüberhinaus am Tanz der Gelbhosenpipra-Männchen tief im Regenwald Süd- und Zentralamerikas teil oder an einer „Chorprobe“ der Flötenkrähenstare in Australien, erleben wir, wenn der „Honiganzeiger“ ein Nest von Wildbienen Afrikas ausmacht oder der in Nordamerika und Europa aufzufindende Specht sich einen Baum auswählt und aufmerksam macht, dass sich hier alle fern halten sollen, indem er ‚energisch auf Holz klopft’ und, und, und.

Das Buch ist ein großer Spaß nicht nur zum Schmökern, Blättern, Entdecken, Erfreuen, sondern auch zum Lernen. Wir können für diese Lektüre nur dankbar sein.

 Unser  Dank für ein Rezensionsexemplar gilt dem Hanser Verlag in München

 

Jugendbuchtipp

© Hartmut Fanger

Jugend-Knigge in neuem Gewand

Lily Aschoff: "Das Leben ist hart –

Benimmbuch für Junge Leute“, Klinkhardt & Biermann Verlag, München 2021

 

Schon gleich der Klappentext lässt uns wissen, dass ‚dieses Benimmbuch eigentlich keines ist’, es sich vielmehr um ‚ein Reisebuch durch die gefährliche Welt der Jugend’ handelt. Reich illustriert, nimmt man es gern zur Hand und blättert darin. All die Collagen, Zeichnungen und Fotomontagen, ein Füllhorn an bunten Motiven, das nicht nur die Jugend anspricht, animieren dazu. Das Ganze von der Autorin und Graphikdesignerin Lilly Aschoff aus Jena mit Witz kunstfertig verfasst, gestaltet und arrangiert. Jede Seite eine Überraschung. Dabei spricht sie mit Sinn für Humor gerade die Themen an, die unter den Nägeln brennen. Sei es, wenn in dem Kapitel „Du und die anderen“ aufgefordert wird, ‚Rücksicht zu nehmen’ und in Zeiten von Corona eine Maske zu tragen, oder bei all den Vorteilen vor den Gefahren des Internets gewarnt wird. Zugleich ist es ein politisches Buch, wenn dazu aufgefordert wird, demokratisch für die eigenen Rechte und die anderer einzustehen und gegen Unrecht zu demonstrieren. Gendermäßig korrekt, wird im Übrigen transparent gemacht, dass Frauen gleichberechtigt sein sollten und nicht diskriminiert werden dürfen. Provokant, wenn dazu aufgefordert wird, Fehler zu begehen, wie zum Beispiel eine Tafel Schokolade zu klauen, um sich später daran zu erinnern, und dies zu streichen, damit klar wird, was man besser machen muss. Erhellend wiederum die Überlegung, dass sich anhand des Preises eines Schnitzels ablesen lässt, dass das Tier kein schönes Leben gehabt haben kann.

Ein Buch, das man einfach nur durchblättern, in dem man stöbern und Entdeckungen machen kann, ohne den Druck, es ganz durchlesen zu müssen. Am Ende stellt man fest – keine Seite, die ungelesen geblieben wäre. Nicht zuletzt verdankt sich dies, neben dem so flüssigen wie frechen Erzählstil, gewiss auch der Fülle an kreativen Randbemerkungen, dem Einsatz von unterschiedlichen Farben und Formen, Schrifttypen und lockeren graphischen Gestaltungsprinzipien. Ein Buch, das Spaß macht und nebenbei so manch’ hilfreichen Tipp parat hat. 

Aber: Selber lesen macht schlau – viel Spaß dabei!

Unser herzlicher Dank für ein Rezensionsexemplar gilt dem Klinkhardt & Biermann Verlag!

Buchtipp des Monats 
  ©  Erna R. Fanger

 

Keine Angst vor dem Tod Kinder!  

Katja Fink: „Klara und Tom im Zauberwald",BoD, Hamburg 2020. 

Das Debüt der Pianistin und Musikpädagogin, indessen auch Autorin Katja Fink – eine Fantasy-Erzählung für Jung und Alt – bezaubert. Und das nicht nur durch die einfühlsame Art und Weise, wie hier Vergänglichkeit und die Suche nach Sinn und Erfüllung kindgerecht zur Sprache kommen. Darüber hinaus hat sie es selbst illustriert. In leuchtenden Farben untermalen die wohl platzierten Bilder die Abenteuer der zehnjährigen Klara und ihres achtjährigen Bruders Tom. Die beiden haben sich auf die Suche nach ihren verschollenen Eltern gemacht. Und gemäß der Heldenreise in einer Fantasy-Erzählung sind dabei etliche Gefahren zu bestehen.

So, den gefährlichen Zauberwald zu durchqueren, wo sie dem weisen Waldhüter Aron begegnen, der traurigen Cäcilie, die in einem Zwischenreich zwischen Leben und Tod weilt, und der geheimnisvollen Elfe Seraphine. Ja und sogar auf den Tod in schwarzer Gestalt treffen sie. Viele Fragen bleiben zunächst offen. Was etwa ist mit dem Maler Balthasar, der keine Erfüllung im irdischen Dasein findet und daher zurück will „ins Licht“, „in seineWelt“. Als er stirbt, erklärt Aron, dass der Körper nur vorübergehende Hülle sei, Seele und Geist ewig lebten. So erfahren Klara und Tom, dass wir Menschen aus Körper, Geist und Seele bestehen, diese zusammen eine Einheit bilden.

Doch was hat es mit der goldenen Schale auf sich, die sie in eine andere Zeit und eine andere Sphäre katapultiert, durch die ein Engel sie begleitet. Mehr sei hier nicht verraten.

 

Das Büchlein ist durchdrungen von spiritueller Weisheit und Erkenntnis, die es jedoch ganz unprätentiös und absichtslos in einer Weise vermittelt, dass es selbst kleineren Kindern bei Bedarf einen natürlichen, ja liebevollen Zugang zu existenziellen Fragen ermöglicht und somit nicht nur eine Lücke schließt, sondern darüber hinaus für Alt und Jung eine so inspirierende wie bereichernde Lektüre ist.

Doch lesen Sie selbst, lesen Sie wohl!  

Doch lesen Sie selbst, lesen Sie wohl!    

© Erna R. Fanger & Hartmut Fanger Weihnachtszauber Für Jung & Alt!:

Textfeld:

Brigitte Weninger: „Stille Nacht. Ein Lied geht um die Welt“, Illustration: Julie Wintz-Litty, NordSüd Verlag, Zürich 2018

Dies Buch ist neben der Geschichte, die es erzählt, eine Reise an einen entlegenen und doch zugleich ganz nahen Ort, den jeder kennt und doch auch wieder nicht, zu dem sich jedoch ein jeder immerzu hingezogen fühlen mag: ein Sehnsuchtsort, den jeder in seinem Inneren spürt. Und nicht zuletzt ist dies, neben den lebendig geschriebenen, warmherzigen Texten aus der Feder der österreichischen Brigitte Weninger, dem lockeren Pinselstrich in Aquarell der Französin Julie Wintz-Litty zu verdanken. Dabei versteht sie es, die durchweg inspirierenden Charaktere – Pfarrer Mohr, der Gitarre spielen kann, und Lehrer Gruber, der auch die Orgel betätigt, überdies sein junger Helfer Lukas und dessen kleine Schwester Lisa – ungemein lebensnah vor Augen zu führen. Zugleich strahlen diese Figuren eine unprätentiöse, natürliche Freundlichkeit in entspannter Atmosphäre aus. Und das, obwohl Zeit und Region, in der die Geschichte in Oberndorf nahe Salzburg im Jahr 1818 – also vor 200 Jahren! – angesiedelt ist, aufgrund einer Naturkatastrophe von Hungersnot und bitterer Armut geprägt sind. Umso mehr setzen nun die Dorfbewohner auf die Weihnachtsmesse. Und dann geht bei der Probe dafür mit Lehrer Gruber auch noch die Orgel zu Bruch. Ratlos sind alle zunächst. Da schlägt Lisa vor, ‚einfach was zu singen’. Pfarrer Mohr hat eine Idee ...

Wie es Pfarrer und Lehrer in der vertrackten Situation wider alle Unbill gelingt, ein Hoffnungszeichen zu setzen, ausgerechnet in einem Moment, wo alles verloren scheint, darum geht es in dieser Geschichte. Ein Hoffnungszeichen, ausgehend von einem aus der Not geborenen Lied in einer kleinen Dorfkirche, das sich auf der ganzen Welt verbreiten sollte. Am Ende stimmt alles mit ein und Licht dringt an diesem Weihnachtsabend in die bangen Herzen und Hoffnung, wo man sich vorher durchs Dunkel tastete. Doch das war, wie wir indessen wissen, erst der Anfang von „Stille Nacht, heilige 

Nacht ...“

Aber selber lesen und staunen macht schlau – viel Spaß dabei!          

Unser herzlicher Dank für ein Rezensionsexemplar gilt dem NordSüd Verlag!   

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Siehe auch unseren Buchtipp Judith Schalansky: "Verzeichnis einiger Verluste"

Siehe auch unseren Buchtipp: Katherine Mansfield: "Fliegen, Tanzen, Wirbeln, Beben. Vignetten eines Frauenlebens  

 

Siehe auch unseren aktuellen Sachbuchtipp: Robert Hobeck: "Wer wir sein könnten"

Buchtipp des Monats für Junge Leser

Textfeld: © Erna R. Fanger 

   schreibfertig.com

Von desaströsen Erwachsenen und der Kraft der Wünsche

Fabio Geda: „Vielleicht wird morgen alles besser“. Aus dem Italienischen von Christiane Burkhardt. Albrecht Knaus Verlag, München 2018

Diese Geschichte beginnt mit einer Hetzjagd. Der 15jährige Held, Ercole, und sein gerade mal sechs Jahre alter Halbbruder Luca sind auf der Flucht vor der Polizei. Sie klettern eine Lagerhalle hoch und verstecken sich auf dem Dach, während die Polizei Ercole auffordert, die Waffe wegzulegen und ‚heraus zu kommen ...’ Erzählt wird dies aus der Perspektive des indessen 19jährigen Protagonisten. Mit diesem Schachzug gelingt es Geda, die Situation des damals Fünfzehnjährigen mit dem Verständnis des jungen Erwachsenen auszuleuchten, im Zuge dessen er bis in Ercoles frühere Kindheit dringt. Ercole ist sechs und in der ersten Klasse, als innerhalb einer Woche seine geliebte Oma, Fischverkäuferin, auf dem Markt von einem Gabelstapler überfahren wird, die Mutter Mann und Kinder verlässt und kurz darauf auch der Opa verschwindet. Danach besteht seine „Familie“ vornehmlich aus Asia, der fünf Jahre älteren Schwester. Sie ersetzt Mutter und Vater, kümmert sich verantwortungsvoll um den Haushalt und um Ercole. Sorgt dafür, dass er sich ordentlich wäscht und kleidet; sie kocht und bezahlt die Rechnungen oder bittet die Vermieterin um Aufschub, wenn wieder mal kein Geld im Haus ist. Und sie hält Ercole nachts die Hand, wenn die Gespenster aus der Wand kommen. Auf ihren Vater, Pietro, können sie nicht zählen. Er ist schlicht „von der Rolle“. Wenn etwa in der Schule nach dessen Beruf gefragt wird, lässt er Ercole angeben, ‚er genieße das Leben’. In Wahrheit ist er fast jede Nacht unterwegs und tagelang verschwunden, um Ware durch ganz Italien zu kutschieren. Alkoholiker, prügelt er sich nicht selten. Asia und Ercole haben sich um ihnzu kümmern. Was für das Geschwisterduo nicht zuletzt heißt, beständig auf der Hut zu sein: vor Gutmenschen oder Vertretern des Sozialamts. Vor Kümmerern aller Art, die ihnen ‚nur helfen wollen’. Es würde bedeuten, dass man ihnen auch noch den Papa wegnimmt und sie beide womöglich trennte. 

Bemerkenswert die Figurenzeichnung, vornehmlich des Vaters und der Mutter, ohne sie in ihrem offenkundigen Versagen  als Eltern zu diskreditieren. Einerseits blass, dann wieder einfühlsam im Detail, treten dabei, teils zwischen den Zeilen, ihre Wünsche und Träume zutage. Zugleich nimmt man sie als Reflex einer sich rapide wandelnden, globalisierten Welt wahr, in der alte Ordnungen zerbrechen, ohne dass neue sich abzeichneten. Weltweit ökonomische Krisen und zunehmende Spaltung in Arm und Reich, in diejenigen, die dem rasanten Paradigmenwechsel standhalten, und denen, die dahinter zurückfallen, den Anschluss verpassen, wie Ercoles Eltern. In diesem Prozess, begleitet von innerer und äußerer Haltlosigkeit, geht so manche Identität zu Bruch, löst sich auf. Das ist es auch, was die Blässe in der Figurenzeichnung ausmacht, sei es des Vaters, sei es der Mutter. Und es ist Gedas Verdienst, diese Gemengelage nahezubringen. Im ziel- und hilflosen Straucheln und Niedergang seiner Figuren ohne Orientierung, in ihrem Leiden daran, wird hier konkret, was so oft abstrakt in unseren Medien verhandelt wird.

Doch die Träume der Kinder von Eltern auf der Verliererseite sind deshalb nicht weniger klein. Ercole selbst über sein Äußeres scheint dies zu unterstreichen: mit „dunklen Augen und langen Wimpern ... dazu einen Gesichtsausdruck der ... so aussieht, als wäre ich ständig verliebt oder würde ein Feuerwerk bestaunen.“ Dass er sich mit 15 tatsächlich verliebt hat, in Viola, aus behütetem Hause, und dass diese Liebe erwidert wird, eingebettet in eine intakte Familie, ist das Glück, dessen es vielleicht bedarf, die so vorhersehbaren wie alltäglichen Katastrophen in besagter Konstellation hinter sich zu lassen. 

Nach kaum vorstellbar abenteuerlichen Manövern von atemberaubender Dramaturgie ist Ercole am Ende, wie wir wissen, mit Bruder Luca auf der Flucht vor der Polizei. Es kommt zum packenden Showdown. Ercole endet schließlich vor dem Jugendrichter. Auf Geheiß von Asia ‚packt er aus’, was das hohe Gericht nicht unberührt zu lassen scheint. Doch nach dem bewähren Motto ist frei nach Hölderlin, ‚wo die Not am größten, das Rettende auch nah’. Es ist dies der Anfang vom Ende einer höllischen Kindheit. 

Ein so berührender wie ergreifender Roman, nicht nur für Jugendliche!

Aber: Selber lesen macht schlau – viel Spaß dabei!

Unser herzlicher Dank für ein Rezensionsexemplar gilt dem Albrecht Knaus Verlag!

 

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